Corona Virus: Arbeitsrechtliche Auswirkungen

Ab Montag dem 16.03.2020 bleiben in vielen Bundesländern Schulen und Kitas geschlossen. Dadurch fallen vermehrt Arbeitnehmer aus, um die Betreuung ihrer Kinder sicher zu stellen. Ebenso drohen vorübergehende Betriebsschließungen.

Wir haben für Sie zusammengefasst, welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen mit dieser Maßnahme verbunden sind.

Habe ich Anspruch darauf, von zu Hause (im Home-Office) zu arbeiten?

Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren.

Habe ich im Fall einer vorübergehenden Betriebsstörung oder -schliessung Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn die Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind, aber er sie aus Gründen nicht beschäftigen kann. Dazu würden etwa Fälle zählen, in denen es aufgrund von Corona Virus Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen oder Betriebstätigkeit vorübergehend einstellen würde. Die Arbeitnehmer behalten also in diesen Fällen ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können.

Kann ein Unternehmen bei Arbeitsausfällen wegen des Corona Virus Kurzarbeitergeld bekommen?

Bislang konnten Unternehmen außer aus saisonellen Gründen und bei Transfermaßnahmen Kurzarbeitergeld beantragen, wenn mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem erheblichen Arbeitsausfall betroffen ist, und zwar wegen einer schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung oder wegen eines unvorhersehbaren Ereignisses wie etwa einem Hochwasser. Auch eine sich schnell ausbreitende Epidemie ist ein solches Ereignis – die Bundesregierung will daher, dass auch solche Fälle unter die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld fallen. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergelds vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall. Kurzarbeitergeld kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden. Kurzarbeitergeld wird in derselben Höhe wie Arbeitslosengeld bezahlt und beträgt 67 bzw. 60 Prozent der Differenz zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das ohne Arbeitsausfall gezahlt worden wäre, und dem pauschaliertem Nettoentgelt aus dem tatsächlich erhaltenen Arbeitsentgelt.

Was passiert, wenn mein Kind nicht krank ist, aber die Kita/Schule (länger) geschlossen wird und ich keine andere Betreuung für das Kind habe? Muss ich Urlaub nehmen?

Ist bei der Schließung der Kita/Schule unter Berücksichtigung des Alters der Kinder eine Betreuung erforderlich, so müssen die Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen (z. B. Betreuung durch anderen Elternteil). Kann die erforderliche Kinderbetreuung auch dann nicht sichergestellt werden, dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen, da die Leistungserfüllung unzumutbar sein dürfte (§ 275 Abs. 3 BGB). D. h., in diesen Fällen wird der Arbeitnehmer von der Pflicht der Leistungserbringung frei; es ist nicht zwingend erforderlich, Urlaub zu nehmen.

Zu beachten ist jedoch, dass bei einem Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus persönlichen Verhinderungsgründen nur unter engen Voraussetzungen ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestehen kann. Ein solcher Entgeltanspruch kann sich aus § 616 BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ergeben. Zudem kann der Anspruch aus § 616 BGB durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein.

Nimmt der Arbeitnehmer Urlaub, erhält er Urlaubsentgelt. In dieser Situation dürfte es hilfreich sein, zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen.

Habe ich Anspruch auf mein Entgelt, wenn sich die behördliche Infektionsschutzmassnahme gegen mich wendet?

Ist der Arbeitnehmer selbst als Betroffener Adressat einer behördlichen Maßnahme, wie z.B. Tätigkeitsverbot oder Quarantäne, kann er zum einen einen Entgeltanspruch gegen seinen Arbeitgeber haben. Aus Sicht des BGH kann in einem solchen Fall ein vorübergehender, in der Person des Arbeitnehmers liegender Verhinderungsgrund bestehen, der den Arbeitgeber trotz Wegfalls der Pflicht zur Arbeitsleistung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (§ 616 BGB). Die Dauer der Entgeltfortzahlung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978, III ZR 43/77 – nach dieser Entscheidung für höchstens 6 Wochen).

 


 

Leistungsverweigerungsrecht im Zusammenhang mit Corona

Leistungsverweigerungsrecht liegt vor, bei…

  • Verstoß gegen Gesetze durch den Arbeitnehmer, wenn er die Leistung erbringen würde. Der Arbeitnehmer kann die Arbeitsleistung verweigern, wenn er durch die Arbeitsleistung gegen Gesetze oder sonstige Pflichten (z.B. Wehrpflicht im Heimatland) verstoßen würde,
  • Verstoß des Arbeitgebers gegen Gesetze, die den Arbeitnehmer schützen sollen. Wenn der Arbeitgeber zum Beispiel gegen Beschäftigungsverbote einer Schwangeren verstößt oder gegen das Arbeitszeitgesetz, muss der Arbeitnehmer nicht leisten.
  • Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten. Beispiel: Der Betriebsrat verweigert die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht beschäftigen. Tut er es doch, kann der Betriebsrat dagegen gerichtlich vorgehen. Das ist die sogenannte kollektivrechtliche Ebene dieses Problems. Es spielt sich nur zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ab. Jedoch wirkt die fehlende Zustimmung des Betriebsrats auch in das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (individualrechtliche Ebene). Der Arbeitnehmer muss nicht leisten, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme seiner Leistung gegen Rechte aus dem Betriebsverfassungsrecht verstößt. Daher hat der einzelne Arbeitnehmer hier ein Leistungsverweigerungsrecht. Sein Geld bekommt er dennoch.
  • Unzumutbarkeit der Leistungserbringung. Das sind die Fälle, in denen zum Beispiel die Kinderbetreuung mit der Arbeitspflicht kollidiert. Steht keine Kinderbetreuung zur Verfügung, weil die Kita beispielsweise geschlossen hat, dann kann der Arbeitnehmer sein Kind nicht alleine lassen. Er hat dann ein Leistungsverweigerungsrecht. Dieses hat er allerdings erst dann, wenn er alles in seiner Macht Stehende probiert hat, um die Betreuung sicher zu stellen.
  • Unzumutbarkeit aus Glaubens- oder Gewissensgründen.
  • entwürdigenden Arbeitsbedingungen, z.B. wenn ein Arbeitnehmer durch Kollegen immer wieder schikaniert und gedemütigt wird.

Leistungsverweigerungsrecht und Vergütungsanspruch

Der Arbeitnehmer behält nicht immer seinen Lohnanspruch bei berechtigter Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts. Die Vergütung bekommt er nur dann weitergezahlt, wenn die Unterbrechung der Arbeit nur von sehr kurzer Dauer war, oder der Arbeitgeber für die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts verantwortlich ist.

Verantwortlich sein kann der Arbeitgeber aber nur dann, wenn er auch wusste, dass er handeln müsste. So kann er nur dann Schikanen von Kollegen abstellen bzw. darauf reagieren, wenn er davon auch weiß. Es geht daher nicht an, dass der Arbeitnehmer sich immer wieder piesacken lässt, dem Arbeitgeber aber nichts davon mitteilt und dann gegenüber dem Arbeitgeber auf sein Leistungsverweigerungsrecht pocht.

Dokumentation und Prüfung des Leistungsverweigerungsrechts

Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer die Gründe, die ihn zur Leistungsverweigerung veranlassen, darlegen und beweisen muss. Vor der Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht ist unbedingt im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob ein Leistungsverweigerungsrecht überhaupt besteht. Der Schuss kann sonst leicht nach hinten losgehen und der Arbeitnehmer riskiert seinen Job und Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers, wenn sich herausstellt, dass das Leistungsverweigerungsrecht nicht bestand.