Im Beitrag des letzten Monats „Die Abmahnung – Teil 2“ ging es darum, in welchen Fällen der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht abmahnen muss, um diesen kündigen zu können. Im heutigen Beitrag soll auf den Konflikt eingegangen werden, der entstehen kann, wenn die religiösen oder weltanschau- lichen Ansichten des Arbeitnehmers mit den Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers kollidieren. Fraglich ist in diesen Fällen immer, wessen Interessen zurücktreten müssen. Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber ein sog. Direktionsrecht zu, wonach dem er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann (vgl. § 106 GewO). Das Direktionsrecht bzw. Leistungsbestimmungsrecht kann jedoch dadurch beschränkt werden, wenn sich der Arbeitnehmer auf einen unüberwindbaren inneren Glaubenskonflikt beruft.
In einem Fall den das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden hatte, weigerte sich ein als Ladenhilfe angestellter Arbeitnehmer eines Einkaufmarktes aufgrund seines muslimischen Glaubens alkoholische Produkte ein- und auszuräumen. Das BAG führte dazu aus:
Der Arbeitgeber muss einen ihm offenbarten und beachtlichen Glaubens- oder Gewissenskonflikt des Arbeitnehmers bei der Ausübung seines Weisungsrechts berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, ihm sei wegen einer aus einer spezifischen Sachlage folgenden Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.
(BAG NZA 2011, 1087)
In diesem Fall gelang es dem Arbeitnehmer einen Glaubenskonflikt darzulegen, sodass er sich weigern konnte, die Weisung des Arbeitgebers durchzuführen. Die Weigerung stellt also keine Vertragspflichtverletzung dar. Das Gericht stellte damit fest, dass der Arbeitgeber soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, dem Arbeitnehmer eine andere Arbeit zuzuweisen hat. Ist dies dem Arbeitgeber jedoch nicht ohne größere Schwierigkeiten möglich, so kann eine Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein. Darüber hinaus ist in diesem Fall der Arbeitgeber auch nicht dazu verpflichtet für den Zeitraum der Arbeitsverweigerung dem Arbeitnehmer Lohn fortzuzahlen (vgl. § 326 Abs. 1 BGB).
In den Fällen, in denen es dem Arbeitnehmer nicht gelingt plausibel darzulegen, dass seine Haltung auf einer für ihn zwingenden Verhaltensregel beruht, gegen die er nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte, kann der Arbeitgeber diesen kündigen. Wenn sich der Arbeitnehmer den berechtigten Weisungen seines Arbeitgebers wiederholt widersetzt, sodass von einer Beharrlichkeit des Arbeitnehmers auszugehen ist, kann sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
In einem Fall den das LAG Hamm zu beurteilen hatte, handelte es sich um einen christlichen Angestellten eines Callcenters, der sich entgegen der mehrfachen Anweisung seines Arbeitgebers, mit „Jesus hat Sie lieb“ bei den Telefonkunden verabschiedete. Aus Sicht des Gerichts gelang es dem Arbeitnehmer jedoch nicht darzulegen, dass es sich bei diesem Verhalten um eine zwingende Verhaltensregel seiner Religion handelt, von der der Betroffene nicht ohne innere Not absehen kann. Das Gericht führte dazu aus:
Der Kläger [Arbeitnehmer] hat sich […] pauschal darauf berufen, er sehe sich als gläubiger Christ auf Grund verschiedener Bibelstellen verpflichtet, stets seinen Glauben zu bekunden und weiterzutragen. Welche Bibelstellen er im Einzelnen damit konkret ansprechen möchte, hat er nicht mitgeteilt. Da in der Bundesrepublik Deutschland sich zahlreiche Menschen als gläubige Christen verstehen, von denen nach dem Kenntnisstand der Kammer es sonst jedoch niemand als verpflichtend ansieht, bei der Verabschiedung seine religiöse Überzeugung kundtun zu müssen, hätte man von dem Kläger [Arbeitnehmer] erwarten müssen, dass er der Kammer seine Glaubensüberzeugung näher darlegt.
(LAG Hamm, NZA-RR 2011, 640)
Abschließend lässt sich also festhalten, dass der Arbeitgeber bei seinen Weisungen berücksichtigen muss, dass diese nicht ermessenfehlerhaft sind. Das heißt, dass die Weisungen bei seinem Angestellten keinen unüberwindbaren inneren Glaubenskonflikt hervorrufen dürfen. Die Beweislast dafür liegt bei dem Arbeitnehmer.